Die Automobilindustrie durchlebt wesentliche Veränderungen, hervorgerufen durch den Klimawandel und den politischen Bemühungen diesen einzudämmen, aber auch durch neue Technologien sowie Änderungen in den Käuferpräferenzen.
Dies führt zur Abkehr vom Verbrenner hin zur Elektromobilität, die erhebliche Strukturänderungen bei Automobilzulieferern und Automobilherstellern bedingt und mit hohen Investitionen in neue Produkte und Fertigungsumstellungen verbunden ist. Daneben ist ein allgemeiner Trend zu beobachten, der unabhängig vom Antriebsprinzip, zu tiefgreifenden Veränderungen in der Entwicklung und dem Aufbau des Automobils führt.
Für 73% der Automobilkäufer sind laut einer MHP-Studie[1]) digitale Fahrzeugeigenschaften ein entscheidendes Kaufkriterium. Autonomes Fahren, neue Geschäftsmodelle oder die Möglichkeit Updates oder Wartung „Over The Air“ (OTA) durchführen zu können sorgen für einen steigenden Anteil der Software an der Wertschöpfung im Automobil. Wir sprechen daher künftig von einem „Software Defined Car“ (SDV).
Ein SDV (Software-Defined Vehicle) ist ein softwaregesteuertes Fahrzeug, das sowohl den Betrieb als auch die Erweiterung der Fahrzeugfunktionalitäten um zusätzliche Fähigkeiten und Features ermöglicht. Im Mittelpunkt des SDV-Konzepts steht der Betrieb sämtlicher Software über einen redundanten Zentralrechner im Fahrzeug sowie die Anbindung an die Backend-Systeme des jeweiligen Automobilherstellers.
SDV bedeutet die Abkehr von der bestehenden Praxis, in jeder einzelnen vom Zulieferer bezogenen Hardware eine eigene proprietäre Software zu verbauen, die dann aufwendig mit anderen proprietären Systemen anderer Zulieferer verbunden werden muss. Stattdessen sorgt ein zentrales Betriebssystem für das Zusammenspiel aller Komponenten und Funktionen. Die dahinterliegende Architektur splittet das Fahrzeug in eine geringe Anzahl von räumlichen Zonen auf. Eine Electronic Control Unit steuert die Funktionen in der jeweiligen Zone domänenübergreifend, das bedeutet z. B. die Steuerung von Fahrwerkskomponenten und Lenkung. Die Control Units in den Zonen sind wiederum mit dem Zentralrechner verbunden.
Das SDV – Eröffnung neuer Funktionalitäten und Umsatzpotentiale
Das SDV ist die Voraussetzung für die Realisierung künftiger Funktionalitäten im Auto, wie z.B. das autonome Fahren. Analysen des Fahrzeug- und Fahrverhaltens werden zu Produktqualitätsverbesserungen und die gesteigerte Anpassung der Automobile an die Kundenbedürfnisse führen. Darüber hinaus eröffnen sich den Automobilherstellern (OEMs) neue Geschäftsmodelle. Goldman Sachs[2]) geht davon aus, dass der SDV induzierte Umsatz von 315 Mrd. $ im Jahr 2020 auf 405 Mrd. $ im Jahr 2030 steigen wird. App-Stores mit Angeboten der OEMs oder von Dritten werden zu neuen Einnahmenquellen. Diese Apps zielen vor allem auf eine Verbesserung der „Customer Experience“ in den Bereichen Info- und Entertainment im Fahrzeug. Die Freischaltung zusätzlicher Funktionen gegen Gebühr, wie z.B. eines Fernlichtassistenten bedeuten zusätzlichen Umsatz für den OEM. Die dahinterliegenden Subskriptionsmodelle führen zu kontinuierlichen Einnahmen für den OEM über den Fahrzeuglebenszyklus hinweg.
Der Lebenszyklus eines Fahrzeugs lässt sich über sogenannte „Over The Air“-Funktionsupdates verlängern. Dies trägt dazu bei, dass ein Fahrzeug nicht so schnell veraltet und eine bessere Wertstabilität aufweist. Darüber hinaus tragen OTA-Updates zu geringeren Wartungskosten bei, da das Fahrzeug für bestimmte Wartungsarbeiten nicht mehr in eine Werkstatt muss. Auch durch die Technologie möglich gewordene Services, wie z.B. die vorbeugende Instandhaltung können seitens der OEMs monetarisiert werden. In der Zukunft könnte das Fahrzeug selbst als Zahlungsmittel dienen z.B. für die Zahlung von Parkgebühren.
Das SDV – Herausforderung Fahrzeugentwicklung und Lebenszyklusbetreuung
Ermöglicht werden diese neuen Funktionen durch anspruchsvolle Technologien wie z.B. Künstliche Intelligenz, Machine Learning oder Data Analytics. Diese und die Anforderung, die Systemarchitektur des Fahrzeugs neu zu denken, stellen die OEMs vor große Herausforderungen. War die Fahrzeugentwicklung in der Vergangenheit eher Hardware-orientiert verlangt das SDV einen Paradigmenwechsel zu einer Software-orientierten Entwicklung. Da die OEMs hier personell und wissenstechnische Defizite haben, stellt sich für sie die Frage, ob sie für die Softwareentwicklung mit Hyperscalern wie z.B. Google oder AWS und weiteren Dritten kooperieren sollen oder die Investition in eigene Software-Kompetenzen, die ein Volumen von mehreren Milliarden Euro pro Jahr erreichen können, tätigen sollen. Während OEMs wie z.B. Stellantis oder Renault Partnerschaften bevorzugen, setzen BMW, Mercedes-Benz oder Volkswagen auf die Schaffung eigener Softwareentwicklungskapazitäten. Letzteres hat Vorteile bei der Sicherung von geistigem Eigentum und damit auch Einfluss auf den Grad der Monetarisierung von Apps und Services. Darüber hinaus wird wertvolles Software Know-how aufgebaut, dass bei der Bereitstellung kontinuierlicher Updates der Apps in hoher Frequenz und des Betriebssystems notwendig ist.
Softwareanbieter und Systemintegratoren können die OEMs beim Kompetenzaufbau und der Anwendungsentwicklung sinnvoll unterstützen.
Eviden unterstützt OEMs z.B. bei der Entwicklung von InCar-Infotainment and Connected Car Applikationen. Trotz Softwarefokus ist darauf zu achten, dass die verwendete Hardware auf Leistungszuwachs ausgelegt ist, um zusätzliche Anwendungen und Updates verarbeiten zu können.
Im Entwicklungsprozess eines Software-definierten Fahrzeugs (SDV), der den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs umfasst, spielt Cybersecurity eine immer wichtigere Rolle. Durch das erweiterte Ökosystem mit Partnern, mehr internen Systemen und Schnittstellen zur Cloud gibt es mehr potenzielle Angriffspunkte. Niemand möchte sich vorstellen, dass Außenstehende in die Lenkung oder Bremsen eines Fahrzeugs eingreifen. Deshalb muss die Sicherheit aller Systeme gewährleistet werden. Hierzu orientiert sich die Cybersecurity im SDV an bekannten Security-Prinzipien und –Konzepten wie z.B. „Security by Design“, der Integration von Security-Maßnahmen auf allen Ebenen der Software-Architektur oder einem kontinuierlichen Risikomanagement. Dabei ist darauf zu achten, dass diese Prinzipien und Konzepte in den Entwicklungs- und Wartungsprozessen verankert wird. Nur so ist es möglich, dass der Kunde von sicheren, zusätzlichen Anwendungen und Services profitiert.
Mit unserer breiten Palette an Fähigkeiten unterstützen wir unsere Kunden dabei, das Beste aus Daten und Technologie herauszuholen, um ihr Potential auszuschöpfen.
Interessiert daran, wie wir Ihr Unternehmen unterstützen können? Füllen Sie unser Kontaktformular aus, und wir melden uns bei Ihnen.